2025. Bedrängen und verdrängen


TAZ, 15.09.2025

Wie steht’s, Kunststadt Berlin? Eine Woche feierte jetzt die BERLIN ART WEEK die Kunstszene der Stadt. Anlass, ein paar Beobachtungen zu machen.

Bedrängen und verdrängen

von BEATE SCHEDER

Es ist eine Geschichte, die schon die Nebelkrähen von den Berliner Baustellengerüsten krächzen: Eine Künstlerin verliert ihr Atelier. Muss ausziehen, weil die Kreuzberger Remise, in der es sich befindet, luxuriösen Eigentumswohnungen weichen soll. Die Künstlerin, ihr Name lautet Cathrin Hoffmann, beschließt, ihre Räume noch einmal zu nutzen. MAXIMAL. Tut sich mit einer weiteren, Sophia Süßmilch, zusammen, lädt rund 40 Künst­le­r*in­nen ein. Bekannte Namen sind darunter, Christian Jankowski etwa, Gregor Hildebrandt oder Selma Selman. Organisiert eine Gruppenausstellung samt Performanceabend, die dann für die Sektion Featured der Berlin Art Week ausgewählt wird.

Zwischen all dem, was man sich da anschauen kann, ist MAXIMAL, wie Hoffmann und Süßmilch die Ausstellung genannt haben, die wohl größtmögliche Zumutung. Irre wild, irre gut. Bild neben Bild, dicht an dicht auf weiß gestrichener Strukturtapete. Aneinandergeschobene Skulpturen. Eine Videoarbeit im Wandschrank. Voreinander, hintereinander, übereinander sind kleine und große Arbeiten in drei Räumen platziert. Wo zuerst hingucken oder wohin überhaupt? Die Kunst bedrängt und verdrängt sich gegenseitig. Wie das ja eh im Kopf stattfindet, wenn man während der Art Week mehr anschaut, als man aufnehmen kann. Das Schärfste aber ist, dass manche der Werke bei MAXIMAL erst gar nicht zu sehen, sondern unter den hübsch drapierten Falten eines Tuchs verborgen sind. Sichtbarkeit, die Währung der Kunst, einfach mal auszuhebeln, das muss man sich trauen.

Die andere Währung, der schnöde Euro, drängte sich gleich zu Beginn der Berlin Art Week in den Vordergrund, als Gerüchte hochkochten, deren Finanzierung und damit auch Existenz sei akut gefährdet. 2025 hatte die Art Week, veranstaltet von Kulturprojekte Berlin, 300.000 Euro Förderung vom Kultursenat, 150.000 Euro vom Wirtschaftssenat und eine nicht öffentliche Summe von privaten Sponsoren erhalten. Im neuen Haushaltsplan waren die 300.000 Euro nicht mehr aufgeführt. Eingespart wie so vieles. Entwarnung kam von Mona Stehle, der künstlerischen Leiterin der Art Week: Sowohl Kultur- als auch Wirtschaftssenat hätten zugesichert, die Veranstaltung weiterhin zu unterstützen, erklärte sie der taz, sprach von positiven Signalen. Nur die Höhe der Förderung stehe noch nicht fest.

Dennoch schwebte die Frage nach dem Geld noch nie so deutlich über allem wie in diesem Jahr, in dem zeitgleich die erste Lesung des Doppelhaushaltes 2026/27 stattfand. Und mit dieser auch die ersten großen Proteste gegen die geplanten Kürzungen, die nicht nur die Kultur betreffen, die freie Szene, die Künst­le­r*in­nen der Stadt aber recht deutlich und auf vielen Ebenen.

Auswirkungen wird das haben auch auf die Berlin Art Week, so oder so. Deren Stärke ist es schließlich, dass dort die große Institution und das kleine Projekt, auch wenn das wie MAXIMAL einmal größer ausfällt, gleichberechtigt nebeneinandersteht. Auch stehen muss, denn ohne das eine kann es das andere nicht geben. 

Foto: © Cathrin Hoffmann und Sophia Süßmilch