Galerie Wilma Tolksdorf, Berlin-Mitte
Einzelausstellung | 01.05. – 31.07.2010
In ihrer dritten Einzelausstellung in der Galerie Wilma Tolksdorf präsentiert Yvonne Roeb in den Berliner Galerieräumen unter dem Titel Alle Zeit wach neue Skulpturen. Die Formulierung „[Alle] Zeit wach findet sich bereits in der Bibel; dort wird man aufgefordert, alle Zeit wach zu sein, sich also bereitzuhalten für das, was da kommen möge und – in einer zeitgemäßen Interpretation – wachen, sehenden Auges durch die Welt zu gehen.
Die Künstlerin gebraucht die Worte im Sinne eines ironischen Verweises – die Unmöglichkeit der realen Umsetzung dieses Vorhabens ist offenkundig und lässt sich in einem größeren Zusammenhang übertragen auf die dem Menschen immanente Unzulänglichkeit, sein immer neues Versuchen und zwangsläufiges Scheitern, das in seiner eigenen Vergänglichkeit gipfelt. Auch im aktuellen Skulpturenzyklus findet sich wieder, was charakteristisch ist für das skulpturale, aber auch das zeichnerische Werk Yvonne Roebs: Motive, die uns zunächst vertraut scheinen, die auf den zweiten Blick jedoch zwischen Realität und Surrealität changieren und sich nie gänzlich über die reine Betrachtung erfassen lassen: Zwischen den Skulpturen und zwischen den Zeilen bleibt (…) viel Raum zur Reflexion. Auf die Nachbilder im Kopf des Betrachters, das Weiterspinnen der Erzählfäden setzt Yvonne Roeb (…, Jens Hinrichsen, Tagesspiegel, 26. Mai 2007). Ein Hinübergleiten vom Altbekannten, Längstvertrauten in das – im besten, Freud’schen Sinne – Unheimliche, eben nicht Fassbare, ist dabei wichtiger Teil der Wirkung der Arbeiten: Angesichts der doppelschweifigen, skelettierten, in der Art siamesischer Zwillinge miteinander verwachsenen Pferde-Knochen des MIDNIGHT RIDER lässt sich ein verhaltenes Frösteln (Hinrichsen) ebenso verspüren wie vor der Arbeit CONJUNCTION, die das romantisch besetzte Motiv eines Herzens verfremdet, indem die Künstlerin eine anatomisch-organische Darstellungsform wählt, die, ganz im Sinne der inhaltlichen Mehrdeutigkeit der Werke, von einer dunklen Spiegelfläche gedoppelt wird. Der in angriffslustiger Pose gegen die Wand aufgerichtete BOCK vermittelt nicht zuletzt durch die schwarze Farbgebung und die gefährlich-spitzen Hörner ein Gefühl viriler Archaik. Das reine Weiß der aus der Wand ragenden Hand von MAYBE FOREVER ist nur auf den ersten Blick ein Symbol der Unschuld – ganz zart, dennoch unerbittlich halten zwei Finger ein Insekt an seinen Flügeln fest und hindern es so am Fortkommen. Ähnlich gefangen wäre der Vogel, der sich leichtsinnig in den BIRDCAGE begeben hätte, denn dieser setzt sich aus zwei miteinander verschmolzenen Käfigen zusammen, die trotz aller optischen Einheit ein Ungleichgewicht darstellen.
Die organischen Motive, vielfach aus der Tier- und Pflanzenwelt, dienen Yvonne Roeb als Grundlage zur Erschaffung ihrer ganz eigenen Welt.