5 Fragen an Yvonne Roeb
Die Skulpturen der in Paris und Berlin lebenden Bildhauerin Yvonne Roeb erinnern zugleich an naturwissenschaftliche Tier- oder Pflanzenpräparate und mysteriöse Traumwesen. Sie vermischt in ihnen nicht nur Formen, sondern auch unterschiedliche Materialien. In diesem Interview beantwortet Yvonne Roeb fünf Fragen zu ihren Werken in der Ausstellung Marta Maps — Neue Routen durch die Sammlung.
Franziska Brückmann (FB): Deine Werke haben eine starke suggestive Kraft. Ihre hybride Gestalt vereint die Gegensätze Künstlichkeit/Natürlichkeit sowie Vertrautheit/Fremdartigkeit. Woher nimmst du die Inspiration für deine Mischwesen?
Yvonne Roeb (YR): Als Künstler schöpfe ich aus der Empfindung des Erlebten. Ich transformiere es, lasse es Stellvertreter sein für Gefühle, Phantasien und Utopien. Denn neben allem analytischen und recherchiertem Wissen hat der Traum seine Rätsel. Kunst ist nicht erklärbar. Die Flut an Bildern, die aus einem heraus wollen, sind es auch nicht.
Tanja Korte (TK): Wie entstehen deine Arbeiten? Fertigst du im Vorfeld Skizzen (z.B. auf Papier oder digital am PC) oder gehst du vom Dreidimensionalen aus – im direkten Umgang mit Materialien und Formen?
YR: Das Bild ist in meinem inneren Auge bereits entstanden. Ich stelle es mir direkt dreidimensional im Raum vor. Erst dann folgt die Frage der Umsetzung. Verfahren und Materialien sind wichtig in der Erarbeitung meiner Skulpturen. Wenn nötig, fertige ich Konstruktionsskizzen an, verfasse Verfahrensanweisungen, für mich oder andere. Für die ehemals im Marta ausgestellten, computergesteuert gefertigten 2 x 2 m großen Masken aus Stahl, war zur Umsetzung ein digitales 3D-Modell nötig. Es ist ein klärender Moment, in dem Technik und Emotion zusammenkommen.
FB: Du verwendest unterschiedliche Materialien in deinen Skulpturen. Mit welchen arbeitest du am liebsten und was beeinflusst deine Auswahl?
YR: Ich mag jedes Material und glaube, dass es eine Bereicherung ist, neue Disziplinen kennen zu lernen. Letztes Jahr hat mich Bronze beschäftigt. Es ist faszinierend, welche Alchemie und Kraft im Gussprozess stecken. Die klassische Verwendungsweise vom Material zu brechen und artfremd an eine Skulptur heranzugehen, kann ebenso sehr spannend sein.
Nun bin ich im Januar in einem völlig leeren Atelier in Paris angekommen. Ich versuche alle Verarbeitungsverfahren hinter mir zu lassen und fange von vorne an. So beängstigend zunächst das Nichts ist, kann sich daraus ein neuer Schaffensprozess entwickeln.
TK: Zwei deiner von uns gezeigten Skulpturen — EMBRACE und ROCKET — sind im Jahr 2013 entstanden. Sind sie charakteristisch für eine bestimmte Werkphase oder steht jedes Objekt für sich?
YR: Jedes Objekt steht für sich!
FB: Für die Marta-Ausstellung Brisante Träume — Die Kunst der Weltausstellung 2018—2019 hast du eine Gesamtinstallation entwickelt, in der auch diese drei Skulpturen zu sehen waren. Die Präsentationsform erinnerte an die Idee vormoderner Wunderkammern. Spielen solche Präsentationskontexte bereits eine Rolle in deinem Schaffensprozess?
YR: Selbstverständlich ist mir die Installation wichtig. Zeitlich begrenzt entsteht so eine erweiterte Skulptur. Jedoch war meine Installation im Marta keine Wunderkammer. Sie sprach die groteske Seite der Weltausstellung an. Es war eine Rauminstallation zum Nachdenken, nicht zum Staunen.
Je nach Spezifität eines Ortes entwickele ich die entsprechende Installation. Das kann mit der Geschichte des Ortes zu tun haben, mit architektonischen Bezügen, mit traditionellen Ausstellungsformen, die dann unterstützt oder gebrochen werden. Es bleibt aber individuell.
Für eine Ausstellung in der Kunsthalle Emden und dem Museum of Contemporary Art TRAFO in Polen habe ich z.B. jeweils ein Künstlerbuch (ARTIFIZIARIUM I & II) herausgegeben, das Teil der Installation ist und von dem Besucher mitgenommen werden kann. Hierbei geht es unter anderem um das Thema des Archivs und das Künstlerbuch hat in dem Fall auch den Raum mit den Besuchern verlassen. Meine Arbeit ist so in den Bücherregalen, Bibliotheken und Archiven der Außenwelt verbreitet worden. Die Installation bezieht sich also auf einen größeren Raum als den Ausstellungsraum.
Die Fragen stellten FRANZISKA BRÜCKMANN und TANJA KORTE, kuratorisches Team der Ausstellung.