Yvonne Roeb: Im Über All


Schering Stiftung, Berlin und Berlin ART WEEK

Einzelausstellung | 14. 9. – 6. 11. 2016

Unter dem Titel IM ÜBER ALL stellt die in Berlin und Düsseldorf lebende Künstlerin Yvonne Roeb ihre Skulpturen aus naturrealistischen, surrealen und artifiziellen Elementen in den Kontext der Wunderkammer. Die Bildhauerin formt ihre aus der Tier-, Pflanzen- und Mineralienwelt entlehnten Mischwesen aus modernen, ungewöhnlichen Materialien, spannt aber auch einen Bogen zur klassischen Bildhauerei. Ihre inhaltlich stets doppeldeutigen Werke werden in der Schering Stiftung in einer Nischenwand präsentiert, die jedem Objekt einen eigenen Entfaltungsraum gewährt.

Yvonne Roeb betrachtet Gegenstände nicht als bloße Dinge, sondern fragt nach dem beseelten Wesen eines jeden Objektes. Der Glaube an übernatürliche Mächte in einem Gegenstand und deren Verehrung als heilige Objekte wie im Fetischismus sowie die spirituell-religiöse Vorstellung von der Beseeltheit aller Naturerscheinungen wie im Animismus, klingen im Werk von Yvonne Roeb ebenso an wie Aspekte des Totemismus und des Animalismus. So gehen im Totemismus die Menschen eine mythisch-verwandtschaftliche Verbindung zu bestimmten Naturerscheinungen ein und die Totems dienen u. a. dazu, das Fremde und Bedrohliche in die Welt des Menschen zu integrieren. Im Animalismus werden dagegen Tieren besondere Mächte zugeschrieben.

All diese Vorstellungen fließen in die Arbeiten von Yvonne Roeb ein, bilden aber neben naturwissenschaftlichen und formalen Fragen nur einen Aspekt ihrer sehr aktuellen Werke. Während die Wunderkammern der Spätrenaissance und des Barock Objekte unterschiedlicher Provenienz und Zweckbestimmung gemeinsam präsentierten – Kunstwerke neben naturwissenschaftlichen Exponaten – gleichen Yvonne Roebs Skulpturen einer Synthese künstlerischer und naturbezogener Studien und sind somit gleichsam Ausdruck einer universellen Kultur.

Neben den Skulpturen werden in der Schering Stiftung neue Zeichnungen der Künstlerin zu sehen sein, die als Reinterpretation des Dreidimensionalen in die zweidimensionale Ebene zu verstehen sind. Sie zeigen die verborgenen Rückseiten der präsentierten Skulpturen. Roeb kehrt damit das Prinzip der zeichnerischen Skizze und der darauf folgenden Skulptur um und hinterfragt so den Mythos der Zeichenstudie als schöpferische Quelle allen künstlerischen Schaffens.

Yvonne Roebs zeitlose Artefakte knüpfen an den aktuell sehr virulenten Diskurs der Human-Animal-Studies an. Als noch junges interdisziplinäres Forschungsfeld setzen sich die Human-Animal-Studies mit den komplexen Mensch-Tier-Beziehungen u. a. aus psychologischer, soziologischer, kulturwissenschaftlicher und anthropologischer Sicht auseinander.

Die Schering Stiftung ist Partner der Berlin Art Week 2016. Zur Eröffnung der Ausstellung am 14. September 2016 sprechen Dr. Michael Krajewski, Kurator der Ausstellung YVONNE ROEB, DIVINE BEAST im Lehmbruck Museum, Duisburg, und Heike Catherina Mertens, Kuratorin der Schering Stiftung.

Das Ende der menschenzentrierten Weltsicht ist in der Kunst schon seit ein paar Jahren Thema. Roeb nimmt dieses Sujet mit großer Selbstverständlichkeit auf, vereint die Abgebrühtheit einer Genetikerin mit der Feinsinnigkeit eines Schamanen.

Christiane Meixner – Der Tagesspiegel, 13. September 2016
Yvonne Roeb, Zeichnungen

Ausgestellt

Kuratorenschaft

Heike Catherina Mertens

Eröffnung

Mittwoch, 14. September 2016, 18–21 h

Begleitprogramm

ÜBER MORPHOLOGIEN: ANIMALISMUS UND ANIMISMUS
von Anselm Franke
4.10.2016, 18–20 h



Die Moderne ist geprägt von der Idee einer passiven Materie, der der Mensch eine Form aufdrückt. Vermittels der Kunst können wir diese Sichtweise aber auch umdrehen und fragen: Welche Form drücken uns die Dinge auf? Diese Umkehrung ist in der Rezeptionsästhetik angelegt, aber jenseits der Kunst wirft die Frage zahlreiche Grenzfragen und Grenzphobien auf, die mit dem dualistischen Weltbild und seiner Trennung von Belebtem und Unbelebtem, sowie von Subjekt und Objekt verbunden sind. Denn die „Belebung“ der Materie ist nur deshalb ein so zentrales Problem der Moderne, weil sie den Seinszustand nicht nur der Dinge, sondern auch des menschlichen Subjekts betrifft bzw. direkt verändert.

Adresse

Schering Stiftung
Unter den Linden 32–34
10117 Berlin
info@scheringstiftung.de
https://scheringstiftung.de/de/projektraum/

Öffnungszeiten

Donnerstag bis Freitag, 13–19 h Samstag und Sonntag, 11–19 h

Literatur (8)

Yvonne Roeb: Im Über All, Berlin [Schering Stiftung] 2016.
Film

Carola Padtberg: Art Week Berlin. Riesenbroiler, frisch gedruckt, Hamburg [SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein] 2016. Erschienen in: der Spiegel, 14.09.2016
Zeitschriftenartikel

o. V.: 5 Fragen an: Yvonne Roeb, Berlin [GCM Go City Media] 2016. Erschienen in: Tip Berlin, Persönliche Tipps von 12 Künstlern und Kuratoren, Nr. 19/2016, SS 4 ff
Interview

Christoph Amend (Hrsg.): Haarige Sachen, Berlin [ZEIT WELTKUNST Verlag] September 2016. Erschienen in: "Weltkunst", N° 119, S. 50

Elke Buhr (Hrsg.): Wunderkammer, Berlin [Res Publica] 2016. Monopol Special Issue Berlin Art Week, S. 12 und 66
Artikel lesen

Constanze Suhr (Text): Synthetisierte Träume / Synthesized dreams, Berlin [Kunstprojekte Berlin] 2016. Erschienen in: Art Week Magazine 2016, SS 39–41
Zeitschriftenartikel

: Art aber Fair, Berlin [ARD/RBB] 2016. Radio Eins, 14. September 2016
Radiobeitrag

Christiane Meixner: Skulpturen von Yvonne Roeb: Krake, Schlange, Mensch, Berlin [Verlag Der Tagesspiegel] 2016. Tagesspiegel
Zeitungsartikel